Richtlinienentwurf zur Etablierung von CO₂-Differenzverträgen

Mit dem Anfang Dezember veröffentlichten „Richtlinienentwurf zur Förderung von klimaneutralen Produktionsverfahren durch Klimaschutzverträge“ unternimmt das BMWK einen relevanten Schritt hin zur Dekarbonisierung der emissionsintensiven Grundstoffindustrie in Deutschland. Klimaschutzverträge, auch CO₂-Differenzverträge (engl. Carbon Contracts for Difference – CCfD) genannt, stehen unter der Prämisse bei der Umstellung auf klimafreundlicher Produktionsprozesse entstehende Mehrkosten auszugleichen. Da vorherrschende Produktionsverfahren in ihrer Rechnungslegung die gesamtgesellschaftlichen Kosten nicht oder noch nicht vollständig abbilden, sind klimaschädliche Produktionsverfahren, auch durch ihre geringeren Energieträgerkosten, heute noch deutlich rentabler als deren Konträr. Dekarbonisierte Produktionsverfahren hingegen weisen in einer Mehrzahl der Fälle aufgrund der höheren betrieblichen Aufwände Kostennachteile auf. Demgemäß bieten die durch den Richtlinienentwurf vorgestellten CO₂-Differenzverträge dem Staat eine beispielhafte Möglichkeit, die Dekarbonisierung der Industrie zu initiieren. Indes lässt sich der Vergleich zu aktuellen Kernaussagen der international anerkannten Ökonomin Mariana Mazzucato ziehen, wobei der Staat hinsichtlich des Verfehlens des 1,5 °C Zieles zum „unternehmerischen Staat“ sich wandeln soll/muss.

Anhand des im Dezember 2022 veröffentlichten „Aktionsplan zum Dialog- und Arbeitsprozess Mittelstand, Klimaschutz und Transformation“ des BMWK wird voraussichtlich die CCfD-Förderrichtlinie im ersten Quartal 2023 in Kraft treten. Demzufolge können nach Vorgabe des BMWK voraussichtliche bereits ab Juni 2023 die ersten CO₂-Differenzverträge abgeschlossen werden.


Hinweis:

Gerne können wir für Sie eine erste Einschätzung hinsichtlich der Förderfähigkeit durch CO₂-Differenzverträgen von geplanten Vorhaben abgeben. Bei Bedarf können wir Sie zudem bei der Erstellung der Förderanträge oder der Umsetzung von Transformationskonzepten unterstützen. Falls Sie schon eine Maßnahme geplant haben, aber noch nicht wissen, ob eine Förderfähigkeit besteht, oder wie wirtschaftlich sie ist, erstellen wir Ihnen auf Wunsch vorab eine Wirtschaftlichkeitsbewertung nach DIN EN 17463 (VALERI).


Hintergründe von Differenzkontrakten

Der Ursprung von Differenzkontrakten findet sich in der Finanzwelt. Differenzkontrakte dienen der Absicherung gegen schwankende Preise, z. B. bei Aktien oder Rohstoffen. Verkäufer und Käufer vereinbaren einen Basispreis für ein bestimmtes Produkt zu einem bestimmten Zeitpunkt. Liegt zu einem festgelegten Zeitpunkt der vereinbarte Preis unter oder über dem vereinbarten Marktpreis, muss die Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und dem Marktpreis als Ausgleichszahlung getätigt werden. Beispielsweise muss folgend der Verkäufer die Differenz an den Käufer zahlen, wenn der Marktpreis nun über dem Basispreis liegt. Demzufolge lassen sich Risiken einer Investition anhand von Differenzverträgen, wie bspw. Future- oder Forward-Kontrakten, besser quantifizieren sowie ebenfalls mindern.

Förderziele von CO₂-Differenzverträgen

CO₂-Differenzverträgen beinhalten das Potenzial, einen grundlegenden Wandel der derzeitigen noch ausbaufähigen Transformation von Produktionsverfahren in Deutschland einzuleiten. Grundlage bildet das weiterhin tragfähige Geschäftsmodell, welches trotz der Umstellung auf einen klimafreundlichen Produktionsprozess bestehen bleibt. Hinsichtlich der Umstellung auf ein klimafreundliches und damit emissionsarmes Verfahren werden eventuelle Mehrkosten durch die Festlegung eines Basis-Vertragspreis (Referenzpreis zur Definition der Ausgleichssumme) ausgeglichen. Förderfähige Kosten sind als solche definiert, wenn sie während der Errichtung (CAPEX) sowie während des Betriebes (OPEX) anfallen. Die Mehrkosten, in Referenz zu den bisherigen Kosten des emissionsintensiven Verfahren, werden jährlich durch eine Ausgleichszahlung abgegolten, wobei die Vertragslaufzeit der CO₂-Differenzverträge auf 15 Jahre gesetzt ist.

Energieträgerwechsel durch CO₂-Differenzverträgen

Neben den nicht zu verachtenden CAPEX-Kosten werden die während des Betriebes anfallenden OPEX-Kosten zu einem großen Teil durch den verwendeten Energieträger bestimmt. Da der Fördergeber mithilfe von CO₂-Differenzverträgen klimaneutrale Produktionsverfahren etablieren möchte, sind die zu verwendeten Energieträger innerhalb des Richtlinienentwurfes vordefiniert:

  • Verwendeter Wasserstoff muss den Anforderungen an grünen Wasserstoff oder blauen Wasserstoff
    genügen.
  • Verwendeter Strom muss vollständig aus erneuerbaren Energien erzeugt worden sein, wobei entsprechende Herkunftsnachweise gemäß § 3 Nummer 29 Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2021 vorzuweisen sind.
  • Verwendete Biomasse ist nur in Ausnahmefällen von dieser Förderrichtlinie erfasst. Hierbei ist ein Nachweis über die Undurchführbarkeit einer „Direktelektrifizierung/Wasserstoffnutzung“ aus Basis von technisch und wirtschaftlichen Parameter vorzulegen.
  • Anlagen mit unvermeidbaren Prozessemissionen, welche durch CCS- & CCU-Technologien kompensiert werden müssen, sind ebenfalls im Rahmen dieser Förderrichtlinie förderfähig.

Förderfähige industrielle Tätigkeiten

Förderfähige Tätigkeiten nach Richtlinie 2003/87/EG – EU Parlament für Carbon Contracts for Difference - CCfD
Förderfähige Tätigkeiten nach Richtlinie 2003/87/EG – EU-Parlament für Carbon Contracts for Difference – CCfD

Mindestanforderungen von CO₂-Differenzverträgen

Zielführend für die deutsche Klimapolitik ist die ausschließliche Förderung von Transformationsmaßnahmen, welche langfristig und vergleichbar Emissionen während ihrer Nutzung einsparen. Daher setzt der Fördergeber folgende Mindestanforderungen an die Transformationsmaßnahmen an:

  • Das Transformationsvorhaben überschreitet eine vordefinierte Mindestgröße zur Einsparung von Treibhausgasemissionen, welche seitens des Fördergebers vorgegeben ist und in Bezug zu einem Referenzsystem steht. Ein Referenzsystem könnte bspw. der branchenspezifische Benchmark-Wert aus EU-ETS sein. Dennoch ist das minimale Treibhausgas-Einsparziel auf 30.000 t CO₂e pro Jahr festgelegt.
  • Spätestens am Ende des ersten Jahres nach dem operativen Beginn muss eine relative Treibhausgasemissionsminderung von mindestens 50 % gegenüber dem Referenzsystem erreicht werden. Im zweiten Jahr nach dem operativen Beginn muss die relative Treibhausgasemissionsminderung gegenüber dem Referenzsystem mindestens 60 % betragen.
  • Das Transformationsvorhaben muss das Potenzial besitzen während der Vertragslaufzeit, eine Mindesteinsparung i.H.v. 95 % gegenüber dem Referenzsystem zu erreichen.

Mechanismus von CO₂-Differenzverträgen

Die grundlegende Berechnungsweise von CO₂-Differenzverträgen lässt sich mit dem der an den Finanzmärkten gehandelten Differenzkontrakten durchaus vergleichen. Während der im Vorfeld verhandelte Basispreis definiert, ob entweder der Fördergeber den Ausgleichsbetrag zu bezahlen hat oder der konträre Fall eintritt, weicht die Berechnungsweise in der Tiefe aufgrund der Komplexität der Transformationsthematik deutlich von den Standard-Differenzkontrakten ab. Die beigefügte Beschreibung des CCfD-Mechanismus verbildlicht die grundlegende Vorteilhaftigkeit einer Implementierung, um den Umbau der emissionsintensiven Grundstoffindustrie realisieren zu können.

Beschreibung des CCfD-Mechanismus
Beschreibung des CCfD-Mechanismus

Berechnungsweise von CO₂-Differenzverträgen

Die jährlich zu berechnende Ausgleichszahlung von CO₂-Differenzverträgen variiert während der Vertragslaufzeit aufgrund der Veränderungen der verschiedenen Einflussparameter. Während der Basis-Vertragspreis (P-Basis) innerhalb der Vertragslaufzeit fixiert ist, schwanken die restlich Parameter anhand ihrer Performance und sind jährlich zu aktualisieren.  Die explizite Berechnungsweise von CO₂-Differenzverträgen kann exemplarisch der beigefügten Grafik entnommen werden.

Berechnungsweise von CO₂-Differenzverträgen - Formel
Berechnungsweise von CO₂-Differenzverträgen – Formel

Die jährlich sich verändernde Ausgleichszahlung AZ-CCfD [€] berechnet sich aus der Summe zwischen dem Basis-Vertragspreis [EUR/ t CO2e] addiert mit einer Dynamisierungskomponente σ-Volatilität-Energie [EUR/ t CO2e], welche jährliche Energiepreisschwankung abbildet und somit das Preisrisiko von Energieträgern reduziert, wodurch der „Dynamisierte Vertragspreis“ [EUR/ t CO2e] gebildet wird. Diesem „Dynamisierte Vertragspreis“[EUR/ t CO2e] wird folgend der für das transformative Produktionsverfahren im Vergleich zum Referenzsystem entstehende effektive CO₂-Preis [EUR/ t CO2e] des jeweiligen Abrechnungsjahres abgezogen. Anschließend wird der Summenwert mit der realen jährlichen Treibhausgasemissionsminderung des Vorhabens [t CO2-Äq./ME Produkt] und der realen jährlichen Produktionsmenge des Vorhabens multipliziert. Schlussendlich werden etwaige Förderbeträge [€], welche nach Abschluss eines CO₂-Differenzvertrages gewährt worden sind, vom Betrag der Ausgleichszahlung abgezogen. Zusätzlich werden 70 % der eventuell anfallenden „grünen Mehrerlöse“ (durch die Transformationsumsetzung) ebenfalls von der restlichen Ausgleichszahlung abgezogen.

Anhand dieser Berechnungsweise wird definiert, welche Partie und damit Fördergeber und Fördernehmer die Auszahlungsverpflichtung von CO₂-Differenzverträgen zu erfüllen hat. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass die jeweiligen Parameter weitere Unterfunktionen und damit Berechnungsweisen besitzen. Für weitere Informationen siehe Anhang 1 des „Richtlinienentwurf zur Förderung von klimaneutralen Produktionsverfahren durch Klimaschutzverträge“.

Gebotsverfahren seitens des Staates

Die Antragstellung zum Abschluss eines CO2-Differenzvertrages erfolgt durch die Abgabe eines Gebotes innerhalb eines breit angelegten Gebotsverfahrens. Auf Basis eines im Bundesanzeiger veröffentlichten Förderaufrufes wird das BMWK im Laufe des ersten Halbjahres 2023 genaue Informationen zu den folgenden Themen bekanntgegeben.

  • Durchführung des Gebotsverfahrens
  • Mögliche Beschränkung des Gebotsverfahrens
  • Die Förderbedingungen der einzelnen Branchen
  • Das Fördervolumen
  • Das Bewertungsschema für die Bewertung der Gebote
  • Die Frist zur Abgabe der Gebote
  • Die Verfahrensregelungen für das Gebotsverfahren

Zum jetzigen Zeitpunkt ist bereits bekannt, dass die Bewertung der Gebote anhand eines Punktesystem erfolgen wird. Dabei ist die Bewertung durch die fogende Gewichtung aufgeteilt.

  • 70 % Förderkosteneffizienz
  • 15 % relative Treibhausgasemissionsminderung
  • 15 % relative Energieintensität

 

GALLEHR+PARTNER® ist seit 2007 der erfahrene Lotse für die Wirtschaft auf dem Weg zur CO₂-Neutralität. Zu dem Kundenstamm von GALLEHR+PARTNER® gehört eine Vielzahl national und international renommierter Unternehmen. Diese berät und unterstützen wir teilweise bis zur vollständigen eigenverantwortlichen Übernahme relevanter Prozesse inkl. bei Fragen rund um die Antragstellung zur Strompreiskompensation der deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt).

Folgende weitere Tätigkeiten führen wir in diesem Umfeld gerne für Sie durch: