Klimaschutzverträge – Lessons Learned während der Antragsvorbereitung
Klimaschutzverträge bieten energieintensiver Industrie einen wirksamen Absicherungsmechanismus während der Transformation der eigenen Produktionsverfahren in Richtung Klimaneutralität. Das Förderprogramm basiert auf einer vertraglichen Einigung zwischen dem antragstellenden Unternehmen sowie dem Staat. Mit Ablauf der ersten Ausschreibungsrunde, welche zum 11.07.2024 endete, wurde die erste Gebotsrunde der Klimaschutzverträge erfolgreich beendet. Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung stellten 17 inländische Unternehmen mit einem Volumen von 5,3 Milliarden € Anträge zum Erhalt eines Klimaschutzvertrages.
In den vergangenen Monaten konnte das Team von GALLEHR+PARTNER® intensiv die Antragsvorbereitung zur 1. Gebotsphase der Klimaschutzverträge begleiten. Hierbei gewonnene Erkenntnisse möchten wir innerhalb unserer neu ins Leben gerufenen „Lessons learned“-Reihe mit Ihnen teilen.
Hintergrund:
Mithilfe des neuen Fördermechanismus Klimaschutzverträge etabliert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) erstmalig eine innovative CAPEX- und OPEX-Förderung zur risikominimierten Errichtung von klimafreundlichen Produktionsanlagen energieintensiver Industrie. Klimaschutzverträge setzen einen Anreiz, benötigte Technologien und Infrastrukturen schon heute zu entwickeln, indem entstehende Mehrkosten des Betriebes einer klimafreundlichen Produktionsanlage über 15 Jahre ausgeglichen werden. Zur Antragsstellungen haben teilnehmende Unternehmen ein Bieterverfahren unter marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu durchlaufen. Weitere Informationen zu den Hintergründen der Klimaschutzverträge finden Sie in unserem letzten Beitrag: „Klimaschutzverträge – Erstes Gebotsverfahren gestartet“.
Lessons Learned bei der Abgabe eines Gebotes mit GALLEHR+PARTNER®
1. Investitionsrechnung unter Beachtung der Differenzkosten (CAPEX + OPEX)
Während der Fördermechanismus vorgibt, inwiefern die jährlichen KSV-Einzahlungsbeträge berechnet bzw. vorkalkuliert werden, sind Antragsstellende frei in der Auswahl eines für sie passenden Gebotspreises. Dabei sollte der Gebotspreis die CAPEX- und OPEX-Kosten reflektieren, welche während Investition und Betrieb einer klimafreundlichen Anlage als Differenzkosten, also als zusätzliche Kostenbestandteile der neuen Anlage auftreten. Hierbei ist die Verringerung der Differenzkosten um die sogenannten „eh da“-Kosten empfehlenswert. Gleichfalls ist für die Durchführung einer vollumfänglichen Investitionsrechnung die Aufnahme der zusätzlichen Erlöse erforderlich. Folgende Kosten- und Erlösbestandteile wurden dabei im Einzelnen berücksichtigt:
Erlöse:
- CO₂-Kostenersparnis [EUR]
- Kostenlose Zuteilung [EUR]
- Gebotspreisabhängige Simulation der zu erwartenden Förderbeträge (KSV-Einzahlungen) über die Vertragslaufzeit [EUR]
Kosten:
- Kosten Bankbürgschaften [EUR]
- Energiekostendifferenz [EUR]
- Energienebenkostendifferenz [EUR]
- Investitionsanteil [EUR]
- Steuern [EUR]
Nach Berücksichtigung aller Rechnungsbestandteile sollte auf eine Risikoposition geschlussfolgert werden, welche innerhalb der Vertragslaufzeit (15 Jahren nach operativen Beginn) einen Wert von null annimmt. Der frei zu wählende Gebotspreis (im ersten Gebotsverfahren maximal 600 € pro vermiedener Tonne CO2 gegenüber des Referenzsystems) dient dabei als einzige variable Lösungskomponente mit Einfluss auf die individuelle Risikoposition.
2. Preispfade Strom, Erdgas, EU-ETS-Zertifikate, Wasserstoff, Biomethan
Zur Kalkulation der Energiedifferenzkosten sind in einem vorläufigen Schritt, die Preispfade für die jeweils relevanten Energieträger zu evaluieren und abzustimmen. Energiedifferenzkosten beziehen sich dabei ausschließlich auf die Mehrkosten, welche während Bezug des alternativen Energieträgers (Commodity-Kosten) auftreten. Da Klimaschutzverträge eine Vertragslaufzeit von 15 Jahren aufweisen, ist die Festlegung von möglichen Preispfaden ein kritischer Punkt während der Bestimmung seiner eigenen Risikoposition. Als Entscheidungsbasis sollten diverse Marktprognosen der Energieträger betrachtet werden, um ein möglichst breites Spektrum an Meinung bzgl. der Entwicklung von Angebot und Nachfrage auf den korrelierenden Märkten erhaschen zu können.
Beispielhaft wurden unsererseits folgende Quellen zur Bestimmung möglicher Preispfade hinzugezogen:
- Strom: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Industrie/energiewirtschaftliche-projektionen-und-folgeabschaetzungen-2030-2050.html
- Strom: https://www.vbw-bayern.de/Redaktion/Frei-zugaengliche-Medien/Abteilungen-GS/Wirtschaftspolitik/2023/Downloads/vbw_Strompreisprognose_Juli-2023-3.pdf
- Wasserstoff: https://ariadneprojekt.de/media/2022/09/Ariadne-Analyse_Wasserstoff-Energiekrise_September2022.pdf
3. Berücksichtigung der Energienebenkosten in der Zukunft
Neben den Beschaffungskosten der Energieträger stellen die generellen Energienebenkosten den in manchen Fällen sogar relevantesten Differenzkostenbestandteil dar. Unter dem Begriff Energienebenkosten subsumieren sich die Kostenbestandteile für Netzentgelte, Steuern, Abgaben und Umlagen. Auch die Entwicklung dieser Kostenbestandteile sind einer hohen Unsicherheit unterzogen. Um diesen Unsicherheiten, welche hauptsächlich aus politisch und markttechnisch bedingten Sachverhalten resultieren, begegnen zu können, ist es zur Risikominimierung ratsam, einen konservativen Ansatz zu wählen. Konservative Ansätze könnten dabei bspw. die Berücksichtigung von Inflationsraten oder die rückwirkende Betrachtung von Preisentwicklungen der Netznebenkosten sein.
4. Wie umgehen mit Unsicherheiten?
Die Erstellung einer Kostenprognose für eine Produktionsanlage in der Zukunft lässt sich ausschließlich anhand der heute zur Verfügung stehenden Informationen erstellen. Anhand dieser sind die Größenordnungen der einzelnen Parametern festzulegen. Die dabei berücksichtigten Parametern sind alle von Unsicherheiten geprägt und sollten grundlegend fortlaufend revidiert werden. Mögliche Ansätze für den Umgang mit Unsicherheiten sind:
- Szenario-Analysen: Erstellung von optimistischen, pessimistischen und realistischen Szenarien, um die Bandbreite möglicher Ergebnisse abzubilden.
- Sensitivitätsanalyse: Durch die Identifikation von Schlüsselfaktoren lassen sich die wichtigsten Variablen identifizieren und deren Einfluss bewerten.
- Einholung von Expertenmeinungen: Einholung von Fachexpertise nach Identifikation von Schlüsselfaktoren
- Bewertungsmodelle: Bewertung der Ein- und Auszahlungen nach bewährten Investitionsmodellen wie dem Discounted Cash Flow-Modell bzw. dem Net Present Value-Modell
5. Diskontierung der zukünftigen Ein- und Auszahlungen
Auch im Rahmen der Klimaschutzverträge ist die Durchführung einer dynamischen Investitionsrechnung zur Herleitung von vergleichbaren Zahlungsströmen empfehlenswert. Hierbei werden die jährlichen Cashflows, resultierend aus den Ein- und Auszahlungen des Projektes um einen festgelegten Diskontierungszinsatz bereinigt. Der Diskontierungszinssatz sollte einheitlich festgelegt werden und den internen Vorstellungen des Antragsstellenden entsprechen. Oftmals kann die angestrebte jährliche Eigenkapitalrendite als Diskontierungszinsatz angewendet werden. Grundlegend sollte der Diskontierungszinsatz jedoch die Faktoren Inflationsrate, Risikobereitschaft und Opportunitätskosten berücksichtigen. Als Endergebnis einer dynamischen Investitionsrechnung erhält man den Kapitalwert einer Investition, welcher im Falle der Klimaschutzverträge, als Risikoposition zu verstehen ist.
6. Musterbeispiel zur Reduzierung der Risikoposition sowie der CO₂-Vermeidungskosten
Klimaschutzverträge, als Instrument zur Förderung von Innovation und klimafreundlicher Industrieproduktion, dienen der Angleichung der Differenzkosten zwischen einer fossilen Produktionsanlage und der klimafreundlichen Anlage. Der Fördermechanismus ist dabei so gestrickt, dass jährliche Einzahlungen die jährlichen Differenzkosten ab operativen Betrieb der klimafreundlichen Anlage mehrheitlich ausgleichen. Ein vollumfänglicher Ausgleich der Mehrkosten kann jedoch, anders als medial oftmals kommuniziert, nicht erwartet werden. Nichtsdestoweniger bieten Klimaschutzverträge durch die grundsätzliche hohe Fördereffizienz ein Musterbeispiel zur Reduzierung von potenziellen Risiken während der Transformation hin zur klimafreundlichen Produktion. Gleichfalls reduziert der Fördermechanismus die projektbezogenen CO₂-Vermeidungskosten, wodurch das infrage kommende KSV-Projekt eine prioritäre Position gegenüber weiterer Projektideen einnehmen kann.
Hinweis:
GALLEHR+PARTNER® unterstützt Sie bei Bedarf vollumfänglich im Rahmen der Klimaschutzverträge
Unsere Unterstützung im Einzelnen:
- 360°-Begleitung während dem vorbereitenden Verfahren und der Gebotsphase bei allen Berechnungen und Formalitäten
- Kompatibilitätsprüfung zum Förderprogramm Klimaschutzverträge
- Strukturierung und Erstellung der erforderlichen Antragsmodalitäten
- Darlegung des Fördermechanismus und Förderregelungen
- Simulation der jährlichen Vertragseinzahlungen
- Hilfestellung bei der Gebotspreis-Bestimmung
- Durchführung einer Vollkostenkalkulation zur Bestimmung der finanziellen Risikoposition inkl. Berücksichtigung weiterer Fördermittel
- Koordination von beteiligten Projektpartner (Behörden, Rechtsberater, Anlagenbauern und Energielieferanten)
- Unterstützung bei den Berichtspflichten während der Vertragslaufzeit
Bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen gerne direkt zur Verfügung. Sprechen Sie uns gerne an.
GALLEHR+PARTNER® ist seit 2007 der erfahrene Lotse für die Wirtschaft auf dem Weg zur CO₂-Neutralität. Zu dem Kundenstamm von GALLEHR+PARTNER® gehört eine Vielzahl national und international renommierter Unternehmen. Diese berät und unterstützen wir teilweise bis zur vollständigen eigenverantwortlichen Übernahme relevanter Prozesse.